Sonntag, 18. Dezember 2011

Die absolute Ente

Tipps gibt es ja viele. Mit Bier bestreichen zum Beispiel. Allerdings fragt sich der häusliche Koch: Wieso eigentlich mit Bier? Weicht die Entenhaut da nicht eher auf? Oder Salzwasser. Warum soll eine Ente knuspriger werden, wenn man sie mit Salzwasser bepinselt? Meine Oma hat Schmalz genommen, aber die allzu bedenkenlose Verwendung von Schmalz gehört ja ohnehin zu den Küchensünden der Nachkriegszeit, die man nicht wiederholen sollte. Wenn ich Ihnen beispielsweie verrate, dass es noch in den Achtzigern bei uns daheim Kartoffelsalat mit Zwiebeln, harten Eiern und, ja, das ist keine Übertreibung, Schmalz gab, dann schütteln Sie sich zu recht. Schmalz nehme ich also nicht.

Irgendwo habe ich gelesen, es sei die allzu feuchte Füllung, die von innen die Ente durchweicht. Es ist wahr, in meiner Ente stecken meistens gehackte Maronen, Äpfel, Majoran und die gebratenen Innereien der Ente, aber schmeckt die Ente vielleicht nicht etwas fad, wenn ich sie - so lauten Tipps, die man liest - nur wasche, trockne, pfeffere und salze? Oder was ist von dem Tip zu halten, die Ente nur mit einer trockenen Semmel zu füllen, die die Feuchtigkeit aus der Ente saugt? Wird dann nicht das Fleisch trocken? Muss ich heißer als 200°C braten? Die Niedrigtemperaturente vom vorletzten Jahr wurde immerhin etwas knusprig, als ich ganz am Ende den Grill noch einmal hochgezogen habe, aber die schmeckte dem J. allzu entenhaft und war zudem von sagenhafter und auf die Dauer etwas störender Geruchtsentwicklung.

Vielleicht ist auch schon das Gericht an sich schon ganz falsch gewählt. So berichtete mir einmal der Bruder eines Kochs, man könne entweder Keulen oder Brust oder Haut einer Ente optimal braten, aber nicht alle drei Kompoenten einer ganzen Ente. Am Besten, man zerlege das Tier. Dies aber erscheint mir irgendwie falsch. Ich habe keinerlei Beziehung zu den christlichen Aspekten des Weihnachtsfestes, ich will nichts weiter als einen schönen Baum und etwas Gutes zu essen, auch mein Bedarf an Familienleben ist für dieses Leben hinreichend erfüllt, aber ohne Ente ist nicht Weihnachten und deswegen gibt es auch dieses Jahr so einen Vogel beim J. und mir für den R., die I., die C. und ihren neuen Freund, und vielleicht verrät mir ja noch einer das wahre Rezept für die perfekte Haut: Dünn, braun, knusprig und glänzend auf einem zarten, hellbraun-rosigen Fleisch.

Samstag, 3. Dezember 2011

Was schenkt man einem Vater?

Mütter. Ja, Mütter sind leicht. Mütter mögen bauchige Dosen aus italienischem Glas für Kekse. Mütter mögen kleine, silberne, geflochtene Körbchen. Mütter mögen Kalender mit Photos aus englischen Gärten oder Seifen von Yardley oder Nagellack, der eine Spur zu extravagant ist, um ihn sich selbst zu kaufen, und wenn einem für eine Mutter - eine eigene oder fremde - nichts einfällt, kauft man eine Flasche Champagner. Weihnachten sollte man nur Mütter haben, denn Väter sind ein Problem.

Manchmal haben Väter immerhin eine Sammelleidenschaft. Der Vater vom T. beispielsweise sammelt Fayencen. Oder sie stellen den ganzen Keller mit einer Modelleisenbahn voll, für die es gar nicht genug Zubehör geben kann, wie der Vater der K. Manche Väter sind finanziell auch nicht so arg gut aufgestellt, die freuen sich dann auch über zwei Stangen Zigaretten, wie der Vater einer ehemaligen Kollegin im Referendariat, der sich von Geburtstagen über Namenstage bis zu Weihnachten hangelte, um durch Geschenke seiner fünf Kinder seine Nikotinleidenschaft zu befriedigen. Bei meinem Vater ist das aber alles nicht der Fall.

Immerhin liest mein Vater ganz gern und hört gern Musik. Leider kauft er sich das, was haben will, selbst. Ab und zu finde ich einen schönen und ziemlich überflüssigen Bildband über irgendetwas, was ihn besonders interessiert, den kaufe ich dann, aber dieses Jahr scheint es da nichts Neues zu geben.

Für technische Spielereien hat mein Vater schon eher etwas über, aber hier fällt mir partout nichts ein. Einen iMac will er sich kaufen, aber dafür braucht man eigentlich kein Zubehör. Mit dem Rauchen hat er schon vor 20 Jahren aufgehört. Wenn ich ihm Whiskey kaufe, trinkt ihm den meine Mutter weg. Was Schokolade angeht, isst er am liebsten Ritter Sport Voll-Nuss, die zu schenken jetzt nicht so wirklich den Charakter eines liebevoll ausgesuchten Weihnachtspräsents hätte.

Es ist fürchterlich.

Dienstag, 15. November 2011

Erziehungsberatung

In den letzten Jahrzehnten hat ja eigentlich alles ein verhältnismäßig problematisches Gepräge angenommen, was die Menschheit bis dahin einfach so betrieben hat. Die Aufzucht von Kindern etwa. Oder die menschliche Ernährung. Oder, in ganz besonderen Fällen, beides.

Ein mir lose bekanntes Ehepaar - ein Rechtsanwalt und seine meines Wissens berufslose Frau - etwa zieht in einem der südwestlichen Vororte Berlins einen Knaben samt drei Schwestern auf. Der Knabe ist acht und besucht eine Grundschule. Diese Grundschule ist evangelisch, denn diesem Bekenntnisse hängen die Eltern an. Außer an den lieben Gott glaubt man im Hause dieser Familie an eherne moralische Prinzipien und die Verwerflichkeit des Verzehrs von Fleisch und Zucker.

Die drei Mädchen wurden mir persönlich geschildert als folgsam, unproblematisch und brav. Der Bub allerdings macht Sorgen. In der Schule sei er nicht direkt schlecht, das nicht, aber beängstigende Indizien moralischer Verkommenheit träten zu Tage, schockierende Vorfälle hätten sich ereignet: Der Junge habe gestohlen.

Zwei Mitschüler sogar habe der Bube angestiftet. Ein verschlossenes Behältnis habe man ausgekundschaftet, einen Kühlschrank nämlich, welcher in der Cafeteria der Schule stand. Ein halbes Blech Kuchen habe man aus diesem enwendet, sei damit nach Schulschluss davongefahren und habe den Kuchen zu dritt im Kinderzimmer des einen Buben ganz verzehrt. Zur Tarnung habe man das elterliche Abendessen dann trotzdem tapfer gegessen.

Die Tat blieb nicht lange geheim. Es ist nämlich nicht einfach, mit einem Blech Kuchen durch den recht verschlafenen Vorort zu radeln, ohne gesehen zu werden. Harte Verhöre schlossen sich an. Der eine angestiftete Junge darf nun nicht mehr dem verkommenen Sohn der Bekannten spielen. Der Sohn selbst gab auf Befragen zu, er habe nicht nur diese Missetat zu vertreten. Er habe auch nur wenige Tage zuvor Geld, das ihm seine Großmutter heimlich gegeben, bei real in mehrere Würstchen investiert und diese sofort mit Senf verschlungen.

Die Schwestern des Buben waren von diesem ungeheuerlichen Vergehen angemessen angewidert. Die Mutter am Boden zerstört. Weitere Nachforschungen ergaben, dass dieser Vorfall nicht solitär in der Ernährungsgeschichte des jugendlichen Delinquenten stand. Vor Monaten hatte schon die Großmutter in Nürnberg das Kind in den Ferien mit Fleisch in Form von Würsten, Schinken und Braten traktiert. Der Junge hatte auch Süßes und Kuchen im Gegenzug zum Versprechen erhalten, der ohnehin ungeliebten Schwiegertochter, der Mama, nie etwas von diese verbotenen Freuden zu erzählen.

Der Mutter war nun alles klar. Eine schnurgerade Linie führte von den großmütterlichen Würsten zum Diebstahl von Schuleigentum. Nur eine hauchdünne Linie trennte ihre Brut jetzt noch von Sittlichkeitsverbrechen und blutigem Terrorismus. Wenige Tage später suchten Mutter und Sohn eine Eriehungsberatung auf.

Es schmecke ihm nicht daheim, gab der Junge hier zu Protokoll. Er wolle Kuchen, Eis und Frankfurter essen. Die Mutter ist schockiert. Der Konflikt scheint unüberbrückbar.

Montag, 31. Oktober 2011

Lunch

Er hat sich nicht sehr verändert, denke ich und stehe kurz auf, um ihn zu umarmen. "Hey.", sagt er und drückt mich ganz kurz an seine Brust und dann wieder weg. Noch immer streicht er sich die etwas zu langen Locken mit dem kleinen Finger der linken Hand hinters Ohr.

Neben uns, auf der anderen Seite der marmornen Säule, fuchtelt ein Mann so heftig mit den Armen, dass der Luftzug mich unangenehm an der Wange berührt. Hin und her laufen die Kellner, als gelte es, einen Schnelligkeitswettbewerb zu gewinnen. Es ist kurz vor eins, rundherum isst man genug Schnitzel, um den ganzen Gendarmenmarkt mit Kalbsfleisch zu bedecken, und ich schaue kurz und zerstreut auf die Karte. Ich nehme die Boudin. Wie immer.

Leise ist er nach wie vor. Abends, sagt er, sitze er viel in Hotelzimmern und liest. Horaz habe er kürzlich nochmals gelesen. Mosebach liest er gerade. Ab und zu zwischen zwei Meetings geht er in fremden Städten ein wenig spazieren. Manchmal kehrt er dann in Kirchen ein. Er bete aber selten, sagt er, denn das - so wisse er - stehe ihm nicht an. Ich nicke, denn etwas anderes fällt mir nicht ein.

Er ist viel unterwegs und wenig in Berlin. Er hat ein Haus gekauft. Er fühlt sich wohl auf Flughäfen, in Hotels, beim flüchtigen Gang durch fremde Innenstädte und Parks, und ab und zu fahre er an dem Ort vorbei, an dem wir beide einmal gelebt haben als wir ganz jung waren und glaubten, wir seien ein Paar. Manchmal denke er daran, noch einmal diesen Ort zu besuchen. Niemals mehr seit damals sei er dort gewesen, denn seine Mutter lebe da ja nicht mehr, die er ohnehin, so sagt er und rührt seinen Kaffee, selten sehe, sehr selten: Nur alle paar Jahre.

Sonntag, 23. Oktober 2011

Ganz egal

"Ach was.", sage ich und zerteile meinen Pancake sorgfältig in vier gleich große Stücke. "Dann haben die Kinder mit den übereifrigen Mamas halt die besseren Abiture." Mein Begleiter nickt mit vollem Mund und bestreicht ein Croissant mit Orangenmarmelade. "Das ist doch egal.", bestätigt er, verrührt einen Löffel Zucker in seinem Tee und winkt dem Kellner um ein Schälchen Honig.

Wir zum Beispiel haben beide kein gutes Abi. Als wir zur Schule gingen, gemeinsam, irgendwann in den Neunziger Jahren, war der Ehrgeiz ja quasi noch nicht erfunden. Niemand von unseren Eltern hatte Angst, dass Inder oder Chinesen mit doppelt soviel Wissen und dreimal so viel Fleiß uns den Rang ablaufen würden. Zwischen meinen Eltern und mir gab es die unausgesprochene Abrede, dass sie sich nicht einmischen und ich nicht sitzen bleiben würde. Weil meine Eltern offenbar überhaupt nicht in Frage stellten, dass ich meine Versprechungen in Hinblick auf eine ungestörte Schullaufbahn auch halten würde, nahm mein Vater pünktlich zu jedem Halbjahrszeugnis die warnenden Briefe zur Kenntnis, in denen stand, dass ich wegen zwei Fünfen in Chemie und Physik versetzungsgefährdet sei. Ich glaube, es hat ihn keinen Tag beunruhigt.

Auch die Mutter meines Begleiters zog Schulversagen nicht weiter in Betracht. Ich glaube, sie wusste nur sehr ungenau, welche Leistungskurse ihr Sohn so besuchte und sprach nie mit ihm über seine auffallend asymmetrischen Zensuren, die entweder (in Latein, Griechisch oder Geschichte) durchweg auf eins oder (in Mathematik, Physik oder Sport) maximal auf einer Gnadenvier für ein freundliches Wesen standen.

Guten Noten maßen wir auch bei anderen keinerlei Bedeutung bei. Wir wussten ziemlich genau, wer geistreich und wer zumindest belesen war und wer sich nur Königs Erläuterungen drei Tage lang merken konnte. Diffus war uns von Anfang an klar, dass aus den fleißigen Mädchen in unserer Klasse keineswegs die erfolgreichsten Erwachsenen werden würden, und wir verachteten die Mädchen mit den sauberen Heften schon vorab ein bißchen für so viel unnütz aufgewandte Arbeit.

Ich habe für mein Abi nicht gelernt. Der NC für Jura war bei 2,5 damals, da war klar, dass jeder spätestens im Nachrückverfahren einen Platz bekommen würde. Mein Begleiter lernte eine Woche für Mathe, weil er ansonsten durchgefallen wäre und ein Jahr verloren hätte. Wir haben beide nie auch nur im Ansatz in Betracht gezogen, dass man uns das Abitur verwehren könnte. Am Ende standen wir in der Aula, ich hielt die Abirede. Er spielte, meine ich, vierhändig Mendelssohn-Bartholdy. Es gab ziemlich salbungsvolle Worte und mittelmäßiges Essen. Ich hatte ein weißes Kleid an und sehe auf den Photos, die es gibt, irgendwie ungebürstet aus.

Das ist nun fünfzehn Jahre her. Wir haben beide ziemlich gute Examina. Seine Diss ist sehr, sehr gut und meine immerhin ansehnlich. Man lädt uns zu Kongressen ein, um dort zu sprechen und wir publizieren ab und zu in Zeitschriften, was wir uns über dies und das so denken. Es läuft, wie man so sagt, alles recht gut.

"Meine Sekretärin hat ein besseres Abi als ich.", sagt er und blättert in der Teekarte. Ich nicke. Es ist ganz egal, was passiert, bevor es losgeht, sage ich laut und korrigiere mich sofort: Nein. Es ist nicht egal. Aber das, was man in Schulen lernt, das ist egal, und die Mühen der Mamas vermutlich ganz vergeblich.



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