Mittwoch, 16. März 2005

Vom Fenster aus

Als ich vorm 103 aus dem Wagen steige, mag ich noch nicht nach Haus, und so klingele ich beim M², dessen Küchenfenster noch hell ist. Man kann seine Silhouette hinter dem hellem Vorhang sehen, dann lässt mich der Summer in den dunklen Hausflur, und schließlich sitze ich in seiner Küche, eine Tasse Grünen Tee mit geröstetem Reis vor mir. Er spricht über die wogenden Reisfelder Japans, und wie sie sich vom Wogen eines Kornfelds unterscheiden. Ich berichte von einem Motorradunfall in Nordthailand, und dass ich fast in einem Krankenhaus in Chiang Rai eingegangen wäre, was ein blöder Ort zum Sterben sein muss.

Irgendwann ziehe ich gebrühte Tomaten ab, tanze ein bißchen durch die große offenen Küche und M² spielt mir irgendeine Kreuzberger Band vor, die ich nicht kenne. Da passt nichts, denke ich, als ich an M²´s lieblosen zwei Bücherregalen vorbeitanze, in dem gar grausliche Sachen stehen und offensichtlich auf M² warten, der sie lesen soll, und es nicht tut. Auf dem Gasherd brodelt das Tomatensugo und riecht gut, M² spricht über die Kriterien echter Hipness, und ich verbrenne mir ein bißchen die Zunge an der würzigen Sauce.

Irgendwann, die Nacht verliert schon wieder diese tintige Schwärze, um die es sich aufzubleiben lohnt, sitzen wir auf dem Boden in seiner Küche, jeder eine Schüssel vor sich mit Pasta und der Tomatensauce mit viel Kapern und Sardellen. M² erzählt, dass er Angst hat vor seinem 40. Geburtstag in ein paar Wochen, und ich überlege, wie es sein muss, vierzig zu sein. Ich stelle es mir unangenehm vor.

„Gehst du nach Haus?“, fragt M², als ich anfange zu gähnen und Schlafbedürfnis behaupte. Ich könnte auch bei ihm übernachten, sagt der M² und deutet auf ein ausklappbares Schlafsofa. „Ach was“, sage ich, denn ich wohne ja um die Ecke.

Verdammt, denke ich auf dem Weg die Treppe hinab. Ich will dich nicht. Aber ich hätte wohl nicht nein gesagt. Als ich dann die Schwedter Straße überquere, sehe ich M² am Fenster stehen. Die Vorhänge sind nun aufgezogen, und er winkt mir zu. Ich winke zurück, halb schon im Gehen, und gäbe etwas darum, in diesem Moment zu wissen, was er denkt, wie er mich sieht, und wieso er mich nicht festgehalten hat.


Benutzer-Status

Du bist nicht angemeldet.

Neuzugänge

nicht schenken
Eine Gießkanne in Hundeform, ehrlich, das ist halt...
[Josef Mühlbacher - 6. Nov., 11:02 Uhr]
Umzug
So ganz zum Schluss noch einmal in der alten Wohnung auf den Dielen sitzen....
[Modeste - 6. Apr., 15:40 Uhr]
wieder einmal
ein fall von größter übereinstimmung zwischen sehen...
[erphschwester - 2. Apr., 14:33 Uhr]
Leute an Nachbartischen...
Leute an Nachbartischen hatten das erste Gericht von...
[Modeste - 1. Apr., 22:44 Uhr]
Allen Gewalten zum Trotz...
Andere Leute wären essen gegangen. Oder hätten im Ofen eine Lammkeule geschmort....
[Modeste - 1. Apr., 22:41 Uhr]
Über diesen Tip freue...
Über diesen Tip freue ich mich sehr. Als Weggezogene...
[montez - 1. Apr., 16:42 Uhr]
Osmans Töchter
Die Berliner Türken gehören zu Westberlin wie das Strandbad Wannsee oder Harald...
[Modeste - 30. Mär., 17:16 Uhr]
Ich wäre an sich nicht...
Ich wäre an sich nicht uninteressiert, nehme aber an,...
[Modeste - 30. Mär., 15:25 Uhr]

Komplimente und Geschenke

Last year's Modeste

Über Bücher

Suche

 

Status

Online seit 7125 Tagen

Letzte Aktualisierung:
15. Jul. 2021, 2:03 Uhr

kostenloser Counter

Bewegte Bilder
Essais
Familienalbum
Kleine Freuden
Liebe Freunde
Nora
Schnipsel
Tagebuchbloggen
Über Bücher
Über Essen
Über Liebe
Über Maschinen
Über Nichts
Über öffentliche Angelegenheiten
Über Träume
Über Übergewicht
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren