Chili con carne
„Willst du Zwiebelringe? Soll ich Zwiebeln braten?“, fragt der J., und ich schüttele den Kopf. Muss nicht sein, denke ich, und: Je schneller, desto besser. - Der J. wendet Lammsteaks in der Pfanne, deckt den Tisch, mischt Salat, und ich muss lächeln.
„Was lachst du?“, fragt der J. und kramt nach Besteck. „Nichts..“, sage ich und lache noch immer: „Weißt du noch, das Chili con carne?“ – „Das war was.“, sagt der J. und schüttelt den Kopf. „Da kannten wir uns noch gar nicht lange.“, erinnert er sich jener längst versunkenen Tage.
1997 war’s, und wir Studenten. Vielleicht war’s auch ein Jahr später, aber wie auch immer: Der J. war damals lediglich ein geschätzter Bekannter, der gelegentlich einmal vorbeikam, um in Gesellschaft anderer netter Menschen meinen Kühlschrank leerzufressen. So ganz besonders oft, also irgendwie auffällig oft, kam er eigentlich nicht, seltener als R., der freilich auch im selben Haus wohnte. Auch seltener als die C.², die täglich da war, wenn ich nicht bei ihr weilte, aber regelmäßig, alle paar Tage, nahm der J. an meinem Tisch Platz, und es gab etwas zu essen. Bevorzugt Spaghetti.
„Da wolltest du dich mal revanchieren.“, krame ich aus meiner Erinnerung zusammen. „Meine Mutter“, beginnt der J. sich auf der Stelle zu rechtfertigen, „hat mich ja nie in die Küche gelassen.“ – und deswegen ging der J. mit viel gutem Willen und weitaus weniger Sachverstand zu Werke.
An ein vollkommen selbständig zubereitetes Gericht wagte sich der J., eingedenk des Premierencharakters der ganzen Angelegenheit, nicht heran. Eine Packung Fertigmischung für „Chili con carne“, 300 Gramm Gehacktes, zwei Dosen Bohnen. Und natürlich Reis. In Kochbeutel verpackt von Uncle Ben’s. „Komm rein!“, öffnete der J. die Tür, zu der ich damals noch keinen Schlüssel besaß, und ich warf meine Sachen irgendwo in eine Ecke. „Es gibt Chili!“, trumpfte der J. auf und öffnete zwei Dosen rote Bohnen. „Riecht gut.“, lobte ich, setzte mich aufs Sofa und plauderte ein bißchen vor mich hin. Ab und zu antwortete der J., der um die Ecke, unsichtbar für mich, über zwei Töpfen vor sich hin werkelte.
„Bald fertig?“, fragte ich nach einer Weile und schnupperte ein wenig vor mich hin. Es roch verbrannt. „Irgendwas brennt da.“, bemerkte ich. „Jetzt riech‘ ich’s auch.“, sagte der J. und hob entsetzt die Deckel der Töpfe. - Es brannte zweifellos.
„Das riecht aber komisch.“, merkte ich an. Ein dicker, chemischer Geruch drang um die Ecke. „Das qualmt total!“, warf der J. einen Deckel wieder auf den Topf und zog ihn vom Feuer. „Was ist denn da passiert?“, stand ich auf und kam in die Küche.
Vor dem Herd enthüllte sich mir das ganze Ausmaß der Katastrophe. Schwarzer, dichter Qualm stieg aus dem Topf auf, in dem der J. den Reis kochen wollte. Der Plastikbeutel hatte sich offenbar entschlossen, dem Druck der Temperaturen nicht länger standzuhalten.„Hast du da kein Wasser drin?“, wandte ich mich um und sah den J. an.
„Wasser?“, fragte der J. in so ungefähr demselben Tonfall, in dem er im selben Zusammenhang nach Nagellackentferner, Jauche oder Badezusatz gefragt hätte.
Der Fall war klar.
„Jaja....“, brummt der J., an das volle Ausmaß seiner Unfähigkeit erinnert, und verteilt das Fleisch fast gerecht auf beide Teller. „Ein gewisser Fortschritt ist ja zu verzeichenen.“, necke ich den geschätzten Gefährten und steche mit der Gabel in das braungebratene, duftende Fleisch.