Dienstag, 1. Januar 2008

Drei Variationen über das kommende Jahr

I.

Am 28.03.2008 erwache ich morgens um kurz nach fünf und kann mich nicht bewegen. Zwei Stunden in Angst, bewegungs- und lautlos, bis der J. erwacht und feststellt, dass etwas nicht stimmt. Dann kommt der Krankenwagen.

In der Charité schieben sie mich in Röhren und klopfen an mir herum. Irgendwann, Mitte April, finden sie das Problem, das einen langen, komplizierten Namen trägt. Ende April werde ich operiert.

Am 09.06.2008 fahre ich zur Kur, um mich zu erholen. In Karlsbad hat es mir letztes Jahr gut gefallen, da fahre ich wieder hin. Kurzzeitig verliebe ich mich vor Ort in einen anderen Kurgast, Herrn Z. aus W., verliere jedoch im Zug nach Berlin seine Adresse, und kehre – durchaus erleichtert ob dieser einfachen Lösung der komplex anmutenden Situation – zum J. zurück. Anfang August sitze ich wieder am Schreibtisch.

Im September gehe ich ans Telefon, und Herr Z. aus W. ist dran. Ich bin gerade in einer Besprechung, und brülle daher nur ganz kurz in den Hörer, ich riefe zurück. Dann lege ich auf. Da Herr Z. im Sekretariat keine Nummer hinterlassen hat, wird nur leider nichts daraus, und so werde ich nie erfahren, dass Herr Z. am 05.11.2008 im Zuge einer erneuten Operation durch einen Kunstfehler des Chirurgen Dr. F. verblutet.

II.

Am 14.02.2008 tanzt Carl Friedrich Gauß dem J. im Traum eine Zahlenreihe vor, mit der mein geschätzter Gefährte am 16.02.2008 beim Lotto mehrere Millionen gewinnt. J. ist jetzt reich. Um den neugewonnen Reichtum zu feiern, fahren wir für ein Wochenende gemeinsam nach Karlsbad. Da hat es mir letztes Jahr gut gefallen.

Vor Ort verliebe ich mich unmittelbar nach unserer Ankunft noch im Foyer des Grandhotel Pupp kurzzeitig in den gleichfalls anwesenden Chirurgen Dr. F., von dem ich mich indes am nächsten Tage wegen seines Alkoholismus wiederum trenne. Dieser Umstand war mir im Zuge der ersten Bekanntschaft entgangen.

Herr Dr. F., der hinter diesem Schritt den Einfluss des J. vermutet, lauert daraufhin demselben im Kurpark von Karlsbad auf. Der durch das erzwungene Zusammentreffen verärgerte und erstaunte J. reizt die Trinkerseele des Dr. F. durch einige Verbalinjurien aufs Äußerste. Wütend und zornesrot geht Dr. F. daher schließlich auf den J. los. Es entspinnt sich ein Handgemenge zwischen beiden Herren, beobachtet von einigen zumeist älteren Menschen.

Wenig später kommt ein jüngerer Passant dem angegriffenen J. zur Hilfe. Dem ausgesprochen gutaussehenden Herr Z. aus W. schlägt seine Hilfsbereitschaft indes sehr zum Nachteil aus: Herr Dr. F. trifft ihn so unglücklich mit der Faust an der Schläfe, dass Herr W. noch vor Eintreffen des Krankenwagens erst bewusstlos wird und sodann stirbt.

II.

Unversehens verkaufen meine Nachbarn ihre Wohnung und ziehen zum 01.03.2008 aus. Statt ihrer zieht Herr Z. aus W. nebenan ein. Er ist ausgesprochen gutaussehend und charmant. Wie ich im Juni feststellen muss, beruhen seine häufigen Besuche aber nicht auf meiner Anziehungskraft, sondern auf der des geschätzten Gefährten.

Über den Hintergrund der Besuche seines Schachpartners aufgeklärt, führt der J. am 18.06.2008 ein langes, ernüchterndes Gespräch mit Herrn Z. Dieser ist am Boden zerstört. Aufgewühlt, kopflos vor Enttäuschung, verlässt Herr Z. das Haus und läuft geradewegs auf die Straße.

In diesem Moment kommt ein Kraftfahrzeug um die Ecke aus der Schwedter Straße, der Fahrer – ein Herr Dr. F. – übersieht den Z., der infolge des Zusammenpralls mehrere Meter durch die Luft fliegt, unglücklich auf den Boden aufkommt und sofort stirbt. Am 26.06.2008 wird Herr Z. in Bad Homburg neben seiner Großmutter beerdigt.

Herr Dr. F. ist schockiert und versucht seine Schuldgefühle durch den von ihm verursachten Unfall zunächst durch eine Therapie zu bewältigen, die jedoch erbärmlich scheitert. Während der zweiten Hälfte des Jahres 2008 verfällt er daher dem Alkohol. Im November 2008 vergeht kein Tag, an dem er nicht schon vormittags trinkt.

Auch der J. und ich haben unter unseren Verursachungsanteil nebst der Zeugenschaft an dem tödlichen Unfall des Herrn Z. nervlich etwas gelitten. Um uns zu erholen, beschließen wir, ein Wochenende wegzufahren und entscheiden uns für Karlsbad.

In Karlsbad hatte es mir letztes Jahr ja gut gefallen



Benutzer-Status

Du bist nicht angemeldet.

Neuzugänge

nicht schenken
Eine Gießkanne in Hundeform, ehrlich, das ist halt...
[Josef Mühlbacher - 6. Nov., 11:02 Uhr]
Umzug
So ganz zum Schluss noch einmal in der alten Wohnung auf den Dielen sitzen....
[Modeste - 6. Apr., 15:40 Uhr]
wieder einmal
ein fall von größter übereinstimmung zwischen sehen...
[erphschwester - 2. Apr., 14:33 Uhr]
Leute an Nachbartischen...
Leute an Nachbartischen hatten das erste Gericht von...
[Modeste - 1. Apr., 22:44 Uhr]
Allen Gewalten zum Trotz...
Andere Leute wären essen gegangen. Oder hätten im Ofen eine Lammkeule geschmort....
[Modeste - 1. Apr., 22:41 Uhr]
Über diesen Tip freue...
Über diesen Tip freue ich mich sehr. Als Weggezogene...
[montez - 1. Apr., 16:42 Uhr]
Osmans Töchter
Die Berliner Türken gehören zu Westberlin wie das Strandbad Wannsee oder Harald...
[Modeste - 30. Mär., 17:16 Uhr]
Ich wäre an sich nicht...
Ich wäre an sich nicht uninteressiert, nehme aber an,...
[Modeste - 30. Mär., 15:25 Uhr]

Komplimente und Geschenke

Last year's Modeste

Über Bücher

Suche

 

Status

Online seit 7125 Tagen

Letzte Aktualisierung:
15. Jul. 2021, 2:03 Uhr

kostenloser Counter

Bewegte Bilder
Essais
Familienalbum
Kleine Freuden
Liebe Freunde
Nora
Schnipsel
Tagebuchbloggen
Über Bücher
Über Essen
Über Liebe
Über Maschinen
Über Nichts
Über öffentliche Angelegenheiten
Über Träume
Über Übergewicht
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren