Freitag, 12. Oktober 2012

Oktober, 11

In diesem Setting sieht sogar ein Gaskamin gut aus, und die zunehmend verschmierte schwarze Tischplatte strahlt eine Art schmutzigen Glamour aus, Mitte, Style, Lässigkeit und sogar ich fühle mich in dieser Umgebung gutaussehend und interessant. Für meine Freundin T. gilt das natürlich erst recht, aber die sieht vermutlich sogar bei IKEA gut aus, und macht bestimmt auch auf einem Spielplatz in Regen und Matsch eine gute Figur. Sie sitzt mir also gegenüber und trinkt absolut makellos ein Glas Rotwein.

Um uns herum sind eigentlich alle Menschen ziemlich schön. Das ist ein wesentlicher Grund, warum es angenehmer ist, in Mitte auszugehen als woanders, also die Schönheit der Menschen in Mitte, aber hier, gerade in diesem Moment, fällt es noch mehr auf als sonst. Auf der Torstraße verkehren die schönsten Menschen Berlins und gehen essen.

Die T. und ich jedenfalls reden inmitten von so viel Schönheit ziemlich viel über Politik. Das interessiert uns beide, also das Handwerk der Politik, das Darum und Dahinter, ein bisschen Klatsch, ein paar "Ach so"-Geschichten, und außerdem regen wir uns über die Berliner Schulpolitik auf wie vermutlich alle Einwohner der Stadt, die Kinder haben, auch. Außerdem sprechen wir von de USA, vom Präsidentenwahlkampf, und sind uns einig, dass Obama zu den attraktivsten Männern der Welt gehört.

Das Essen, was wir dazu essen, ist okay. Meine Aubergine ist eine winzige Spur zu bitter, nur ganz wenig, ein Hauch, als sei jemand einen Moment zu langsam mit einem Topf Bitterkeit vorbeigegangen, und auch die Moules Frites der T. sind nicht ganz perfekt. Mein Gelbschwanztuna ist zart und schmilzt auf der Zunge, aber der Pistazienrand ist ein ganz, ganz wenig zu cremig, zu pralinig. Das Hummus ist zu wenig gesalzen. Gut gegessen haben wir trotzdem, und sitzen sehr zufrieden zwischen all den schönen Menschen und schauen uns die Kleider der Frauen und die Frisuren der Männer an. Inzwischen sind wir bei Indiskretionen über gemeinsame Bekannte angekommen und überreden uns gegenseitig zu immer noch einem Glas Wein.

Es ist fast zwölf, als ich zu Hause ankomme. Der F. schläft tief, seinen Schnuler fest im Mund. Der J. liegt auf dem Sofa. "Ich bin müde.", sage ich und gähne und strahle mein Spiegelbild im Badezimmer an. Ich bin schöner als sonst, will es mir scheinen, nicht so schön wie die Leute in Mitte, aber schön genug für mich, schön genug für einen schönen Abend, und so gehe ich hochzufrieden zu Bett und lese, tja, ein nicht ganu so schönes Buch, aber das ist auf die Schnelle nicht zu ändern.

Oktober, 10

Das neue Buch vom Haas ist blöd. Wieder und wieder schweife ich ab, lese kurz Nachrichten auf dem iPhone, gähne und zähle die wild herumliegenden Kleidungsstücke auf dem weißen Bord. Ich komme in die Geschichte seines verliebten Halbindianers nicht richtig hinein, und die typographischen Spielereien amüsieren mich nicht.

Unkonzentriert greife ich auf dem Nachtisch nach dem neuen Krausser. Die Kritiken waren unterirdisch, auch mir haben die drei, vier Seiten nicht gefallen, die ich gelesen habe, aber vielleicht gewinnt das Buch ja auf die Dauer. Oder ich lese den neuen Juli Zeh. Das habe ich zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ich kann Juli Zeh aber an sich spätestens seit Spieltrieb nicht ausstehen.

"Das macht alles keinen Spaß.", nörgele ich ein bisschen den J. an, als der mit de Zahnbürste im Mund ins Schlafzimmer kommt. "Dann lies doch ...", sagt er.

(Sagt er natürlich nicht. Sagen Sie etwas. Was kann ich lesen?)



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