Montag, 21. April 2008

Die B. regt sich auf

„Ich sitze also diesem Typ – fünfzig oder so, echt keine Schönheit, nichts als Fett und Falten – Ich sitze also diesem Typ gegenüber, weißt du, im 44, ein Superessen, nach wie vor, und der Kerl sagt:

Frau B., sagt er - haben sie eigentlich keinen Mann?

Mir bleibt fast das Essen im Hals stecken. Kalbskopf mit Fisch. Ziemlich lecker. - Herr Dr. G., hätte ich fast gesagt, sie haben mich als Rechtsanwältin engagiert – nicht als Studienobjekt. Was soll die Fragerei?! – Kommt aber noch schöner:

Frau B., fragt der Mann weiter – woran fehlt’s denn?

Ich hätte dem Kerl fast den Kalbskopf auf die Krawatte gespuckt. Da hört doch alles auf. Was sagt man denn dazu? Was hättest du gesagt? Einigermaßen schlagfertig, aber nicht unverschämt?

Hätte ich mich als Lesbe ausgeben sollen? Glaubt der mir nie. Da hatte ich auch schon zu lange gezögert. Hätte ich mir die Frage verbitten sollen? Nachher beschwert der sich noch über mich. – Ich sitze also einfach so da, löffele vor mich hin, und dann setzt der noch nach:

Frau B. – sie sind doch ein schönes Mädchen!
Sie haben doch bestimmt an jedem Finger zehn.

Und da habe ich gedacht – was soll’s. Lass den Irren reden. Tu so, als sei der Ton aus, konzentrier‘ dich auf’s Essen, und stell dir vor, der Typ wär‘ nicht da.

Oder würde einfach so im 44 sterben. Mit einer Gabel im Hirn. Und das Gesicht im Kalbskopf"

Mittwoch, 16. April 2008

Besichtigung der Maschinen

Möglicherweise (und dies ist tunlichst zu vermeiden), gerät man auch selbst in den offenen Trichter. Wenn man beispielsweise sich etwas zu weit vorbeugt, um zu sehen, was innerhalb des Gehäuses geschieht, so könnte man – Gott verhüte das – das Gleichgewicht verlieren und fiele nach vorn.

Schon oft hat die Geschäftsführung erwogen, den Trichter durch eine Befestigung zu sichern. An Gitterstäbe hat man gedacht. An einen Zaun. Am sichersten wäre es natürlich, man würde die Besichtigungen ganz und gar verbieten, aber solche Pläne haben mehrfach eine solche ganz unglaubliche und unwiderstehliche Entrüstung der Öffentlichkeit ausgelöst, dass die Geschäftsführung eilig dementierte. Niemand habe vor, die Menschen auszusperren von dem, was hier geschieht.

Die Öffentlichkeit hat, was solche Dinge angeht, ein feines Gespür. Tatsächlich kann man nirgendwo sonst die Maschinen so deutlich arbeiten sehen wie hier. Nur hier sieht man bis auf den Grund. Nur hier, am Rand unseres Trichters, kann man den Druck der Kolben verfolgen über die Schwungräder hinweg bis zum Federwerk, und sogar, wie manche sagen, bis zur Innenkammer und bisweilen hinein.

Nicht jeden lässt die Geschäftsführung ins Maschinenhaus. Die Wartelisten sind lang. Viel mehr Menschen würden zum Trichter drängen, ließe man jeden zu. Nehmen sie es also als eine Auszeichnung, bis hierher vorgedrungen zu sein. Sie werden alles sehen, aus nächster Nähe. Vor ihren eigenen Füßen.

Aber passen sie auf.

Sonntag, 13. April 2008

Der J. stirbt (diesmal wirklich)

Sehr, verehrte Damen und Herren, bedaure ich Ihnen mitteilen zu müssen, dass mein geschätzter Gefährte, der J., diesmal wohl wirklich versterben wird, denn – angemeldet von finsteren Mächten – wird der J., gemeinsam mit vier seiner Kollegen am 4. Juni dieses Jahres, an der Berliner Teamstaffel teilnehmen müssen, welche ihn fünf Kilometer durch den Tiergarten führen wird.

„Wieso ausgerechnet du?“, frage ich den aufgebrachten J. – „Die haben mich reingelegt.“, ächzt der geschätzte Gefährte. Fünf Kilometer sei gar nicht so wenig. Aus dem Stand, ohne vorheriges Training, sei dies jedenfalls nicht gut möglich, erst recht nicht vor den spottlustigen Augen der Kollegen.

Man werde üben müssen, höre ich den reichlich verdrossenen J. seine verschenkte Freizeit bedauern. Man werde nicht umhinkommen, sich längere Strecken zu Fuß und im Laufschritt durch die Parks der Stadt zu bewegen. Man werde höchstwahrscheinlich auf dem nassen Gras ausrutschen. Vielleicht werde man sich den Hals brechen. Möglicherweise auch nur den Knöchel. Man werde zu Boden sinken, und die weit über tausend Teilnehmer dieses größten Berliner Volkslaufs werden den J. tottrampeln, und unter den kränklichen Bäumen des Tiergartens wird dieser sein Leben aushauchen.

Der J. weiß es ganz genau.

Montag, 7. April 2008

Freundin

Vielleicht, sage ich, kommst du vorbei, und dann könnten wir einfach in der Küche herumsitzen und ziemlich viel Sekt trinken. Einen guten, so einen Super-Alte-Damen-Sekt, und nicht diese saure Brühe, die sie auswärts gern als Sekt ausgeben, und dann kommt man nach Hause und hat ratzekahl keine Magenschleimhaut mehr. Dabei hören wir ganz laut Musik. Vielleicht bringst du dir mit, was du vielleicht anziehen willst, und probierst der Reihe nach alles an.

Wenn mir etwas nicht gefällt, dann werde ich dir das sagen. Das pistaziengrüne Kleid zum Beispiel mit den Glasperlen im Ausschnitt. Das sieht schon ziemlich scheußlich aus. „Mo-odeste!“, wirst du protestieren, und barfuß im grünen Kleid durch meine Wohnung tanzen, um zu zeigen, wie schön das Kleid sein soll, wenn man es nur tragen kann, so wie du.

Bestimmt ziehe ich auch ein paar Sachen an. Den braunen Tüllrock zum Beispiel. Also, ich finde den schön. Und ein schwarzes Oberteil, davon habe ich circa zwanzig, weil ich hoffe, dass Schwarz schlank macht, und ich hab’s doch nötig. Stimmt gar nicht, wirst du sagen, und ich werde mich freuen, auch wenn‘s nicht stimmt.

Du rauchst ja seit Jahren nicht mehr. Ich werde rauchen, bis die Ärzte mich aufgeben, habe ich mir vorgenommen, und zünde mir so viele Zigaretten an, bis sogar die Katze hustet. Ab und zu reiße ich das Fenster auf, und sehe dem Rauch nach, eine dicke graue Wolke, die sich langsam auflöst in der nächtlichen Luft.

Bei mir im Bad kann man sich ja nur im Stehen schminken. Du hast dir vom Flohmarkt einen richtigen Schminktisch mitgebracht, der steht bei dir im Bad, so ein Divenmöbel, vor dem man sitzen und sich bemalen kann, aber du machst das ja auch, und ich nicht. Letztens, erzähle ich dir, während du dir die Augen schminkst, war ich im Lafayette und habe mir zwei sauteure Lidschatten aufschwatzen lassen von Bi*otherm, die wahrscheinlich großartig aussehen, aber nicht an mir. Bei mir geht diesbezüglich irgendwie nichts, bedaure ich, und du nickst nur noch, weil du das jedesmal hörst, wenn wir übers Schönsein reden.

Wenn das Telefon klingelt, schauen wir erst mal nach, wer hier eigentlich anruft. Bei dir rufen mehr Leute als an bei mir, weil du viel mehr Leute kennst, und darum beneide ich dich ein bißchen. Wenn nette Leute anrufen, die wir mögen, gehen wir ran. Ja klar, höre ich dich sagen. Vielleicht später. Vielleicht auch nicht, denke ich, und verteile den restlichen Sekt auf die Gläser.

Wenn die Flasche leer ist, könnte man eigentlich auch schlafen gehen. Statt dessen stehe ich am offenen Fenster, wühle mit den Fingern ein bißchen in meinen Haaren herum, in der Hoffnung auf besseren Sitz, und höre der Warteschleife des Taxifunks zu.

Der nächste freie Annahmeplatz nimmt meinen Anruf gern entgegen, verspricht man mir, und ich sehe dir zu, wie du lachend mit beiden Händen die Katzenhaare von deinem Oberteil zupfst, den letzten Rest aus beiden Gläsern trinkst, dir im Spiegel zulächelst, und die Nacht lacht zurück.

Dienstag, 1. April 2008

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lesungMH4a


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