Aus einem schwarzen Stein gebrochen

Tiefer sinke ich, immer tiefer dem Schlaf entgegen. Die Dunkelheit umfängt mich wie warmes, brackiges Wasser, und ich falle der Nacht und den Träumen entgegen, die ihre Finger ausstrecken nach mir. Auf einmal aber schiebt eine Hand sich empor von ganz unten, aus dem Bodensatz der Nacht, und setzt einen schwarzen Traum ab auf meinen Dielen. Dichter wird die Dunkelheit, fester und schwer, und klumpt sich zusammen zu Schatten erst, zu Traumfleisch dann und Knochen.

Langsam und tastend, wie jemand in fremden, dunklen Räumen umhergeht, höre ich seine Schritte, recke mich angstvoll nach oben, versuche, dem Schlaf zu entkommen und dem Knacken des Bodens unter seinem Fuß. Die Hände aber, die nach mir greifen, die Müdigkeit in mir, sie sind stärker als ich, und ich falle wieder, gleite dahin, meinem Traum entgegen, dessen Schritte lauter werden, sicherer sein Gang, und ich höre ihn atmen.

Dass er verschwinden wird, öffnete ich nur die Augen, das weiß ich genau, aber ich kann nicht erwachen, ich sinke, falle immer weiter, und sein Schritt nähert sich dem Bett. Laut knacken die Dielen, sein Ärmel streift die rote Wand an meinem Bett, und ich kneife die Augen zu, um ihn nicht zu sehen. Aufwachen will ich, ihn zurückschicken dahin, wo er mich nicht fassen kann, aber immer tiefer wird mein Schlaf, und immer lauter sein Atem. Sprich, denke ich, und gib dich zu erkennen, obwohl ich weiß, wer er ist, und was er sagen wird.

Tief vergrabe ich meinen Kopf im Kissen, ziehe die Decke über mich, damit er mich nicht anfassen kann mit seinen kalten, feuchten Fingern. Er aber steht an der Wand, wartet auf mich, atmet, und ich höre sein Räuspern. Sprich endlich, fahre ich ihn an, damit ich antworten kann, und dich zurückjagen in die Hölle, aus der du kommst. Näher kommt sein Schritt, bewegt die Luft an meinem Bett, und als er sich setzt, als er seine Hand auf meine Schulter legt, öffne ich die Augen.

Du bist ja immer noch da, sage ich, und sehe ihm in die Augen, streife versehentlich sein weißes, blutleeres Fleisch, und er starrt an mir vorbei zum Fenster. Du hast mich gerufen, sagt er, und ich schüttele den Kopf. Du hast mich doch gerufen, beharrt er und streicht mir mit einem Finger den Unterarm aufwärts zur Armbeuge.

Verschwinde, schreie ich ihn an, reiße die Augen auf, und höre seinen Schritt leiser werden, sich entfernen, bis ich die Augen wieder schließe, und der Schlaf mich wiederum umfängt und sinken lässt, fallen lässt, und seine Hand wiederum nach meiner greift, wenn ich schlafe.

Matthias Gerhards - 8. Mär. 2006, 7:49 Uhr

Schön

Nur den Schluss könntest du noch mit einer überraschenden Wendung würzen.
brittbee - 8. Mär. 2006, 10:31 Uhr

Selber schreiben. Oder einfach nicht kommentieren.
Modeste - 8. Mär. 2006, 12:02 Uhr

Tja, möglicherweise ist der Text tatsächlich ein bißchen strukturlos und langweilig. Der Text beruht auf einem realen Traum, und wie es so geht, ist das Athentische oft nicht interessant, und das Interessante wäre nicht authentisch. Aber Sie mögen recht haben, und ich hätte den Text noch einmal überarbeiten sollen. Beim nochmaligen Lesen überzeugt er mich mich auch nicht so besonders, er gehört inhaltlich zu diesem Text, ist aber strukturell und inhaltlich deutlich schwächer.

Vielleicht stelle ich ihn heute nachmittag wieder offline. Man muss seine Leser ja nicht langweilen.
che2001 - 8. Mär. 2006, 12:51 Uhr

Lieber einen Nachmittagsschlaf halten und den Traum umträumen,
aufgewärmtes Essen scmeckt auch oft besser als beim ersten Mal.
arboretum - 8. Mär. 2006, 13:28 Uhr

Ach was, Frau Modeste, lassen Sie sich doch nicht von so einem selbsternannten Lektor aus dem Konzept bringen.
gunhilde - 8. Mär. 2006, 17:45 Uhr

Nicht ändern!

Das ist ein Nacht-Text, der gilt nicht für den Tag, den kann man nicht am Tag "nachintellektualisieren". Nur Tag-Texte haben überraschende Wendungen, denn am Tag arbeitet das Hirn unter einem anderen Hormonspiegel.

Man kann noch an Wörtern herumfeilen, wenn man will, aber wenn, dann im Nachtgewand. Zum Beispiel im 2. Absatz statt "herumgeht" "umgeht" nehmen, dann würde an dieser Stelle das durch die zweisilbige Wortkette monotone Hinübergleiten in den Traum verstärkt (Kardinal Wetter liebt es, so zu sprechen ....) - aber das Unterbrechen des Rhythmus' kann ja auch als Ausdruck des Aufschreckens gewollt sein.

Also - ich find das schön so. Nur, warum ich jetzt zum dritten mal statt "Räuspern" "Rülpsen" gelesen habe, das weiß auch wieder kein Mensch.
Modeste - 8. Mär. 2006, 18:45 Uhr

"Rülpsen", das ist auch nicht übel, das hätte er allerdings schon zu Zeiten seiner leiblichen Präsenz in meinem Dasein nie getan. Ist allerdings auch schon wieder Jahre her. Der holprige Rhythmus des Textes gefällt mir eher mittelmäßig, aber er ergibt sich vielleicht aus den nahenden Schritten und dem Hin und Her zwischen Erwachen und Absinken in den Schlaf.
burnston - 8. Mär. 2006, 17:59 Uhr

Da fällt mir das Sprichwort ein: Je später der Abend, desto toter die Gäste.
Modeste - 8. Mär. 2006, 18:45 Uhr

Solange kein steinerner Gast auftaucht, einen in seine Hölle mitzunehmen, fällt das ja alles noch unter Laufkundschaft, die bekanntlich auch nicht zu verachten ist.
netbitch - 9. Mär. 2006, 11:34 Uhr

Das ist ein wunderbarer Text!
che2001 - 9. Mär. 2006, 11:53 Uhr

@arboretum: "Umträumen" sollte kein Lektoratsversuch sein,
sondern ein Versuch in bizarrem Denken. Ich finde denText
sehr gut, aber einer Träumenden vorzuschlagen, sie sollte
dem Text , der ja einen Traum wiedergibt, eine andere
Wendung geben, das finde ich auf eine lustige Weise absurd.
arboretum - 9. Mär. 2006, 12:00 Uhr

Herr Che, Sie brauchen nicht gleich immer alles auf sich beziehen, Sie waren doch gar nicht gemeint. ;-)
Grau - 9. Mär. 2006, 11:44 Uhr

Gilt sicher auch andersherum:

"Wie ein Tag war, weiss man erst, wenn man drüber geschlafen hat: Eine Nacht drauflegen und am nächsten Morgen drunterschauen. Meist sieht dann alles anders aus. Einem Tagebuch, das die Ereignisse noch am selben Tag registriert, ist deshalb nicht zu trauen."
Markus A. Hediger
che2001 - 9. Mär. 2006, 13:20 Uhr

DAs, FRau arboretum, liegt wohl einfach daran, dass der Kommentar
direkt unter dem Meinen stand. Was Anderes: Stünde die wertgeschätzte
Gastgeberin für eine Bloglesung im Wonnemonat in Hannover zur Verfügung?
arboretum - 9. Mär. 2006, 13:23 Uhr

Och, Herr Che, genau wie Sie habe ich auf einen anderen Kommentar geantwortet, folglich stand mein Kommentar automatisch unter Ihrem, weil Sie mir halt zeitlich etwas zuvor kamen. Warum Sie nun aber mit diesem Kommentar auf einen von Herrn Grau antworten und nicht auf meinen weiter oben, wissen wiederum nur Sie allein.
che2001 - 9. Mär. 2006, 14:38 Uhr

;-))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))))
Modeste - 9. Mär. 2006, 15:50 Uhr

Die Gastgeberin dieses Blogs findet Bühnen super, hat in Hannover Freunde, die sie ohnehin zu wenig besucht, und würde ergo gern erscheinen. Nur der 20. Mai ist schon blockiert.
jogowa - 9. Mär. 2006, 16:40 Uhr

Also ich finde den Text wunderschön. Falls die ehrenwerte Schreiberin dieses Blogs Lust hat, so klicke sie bitte hier:

http://beatlyrics.blogsome.com
che2001 - 9. Mär. 2006, 16:50 Uhr

@Gastgeberin dieses Blogs:

Das waren genau die Dinge, die ich hören wollte. Sehr schön, dann
bekommst Du demnächst von strappato und mir freundliche mail.

@jogowa: Sehr gut und bestimmt den ein oder anderen Versuch wert!
Modeste - 10. Mär. 2006, 2:20 Uhr

Ihr Gemeinschaftsblog behalte ich mal im Auge.

Und ich würde mich freuen, wenn es mit Hannover klappt, ich habe da mal knappe zehn Monate gewohnt, und würde gerne nochmal in so einem chinesischen Restaurant hinter dem Bahnhof essen, wo es zumindest damals eine großartige Ente gab.
allyklein - 10. Mär. 2006, 13:07 Uhr

das da ist etwas sehr wunderschönes.

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