Donnerstag, 15. September 2005

Es bleibt längst abgemessen unser Glück

Hell strahlen jenseits der Donau die Fenster der Paläste, als würde ein Fest gefeiert, zu dem wir nicht eingeladen sind. Irgendwo rechts fahren noch einige Wagen über die Kettenbrücke, und die J. spricht von einem, den sie geliebt hat und nicht haben sollte.

Schwarz und glänzend fließt der Strom zu unseren Füßen wie flüssiger Basalt, und ich höre der J. zu, die von den verzweifelten Spielen an jenen Tischen spricht, an denen der Einsatz hoch ist, und die Gewinnchance zum Heulen niedrig. In denjenigen Nächten aber, sagt man, in denen der Mond rot, und der Nordwind heiß würde, in denen die Stäbe grünen und den Häusern entlang des Flusses Hühnerbeine wachsen, in diesen Nächten gelingt vielleicht der große Wurf, der Himmel küsst die Erde, die Venus selber steigt von ihrem weißen Sichelwagen, und in allen Kelchen verwandelt das kalte Blut sich endlich in Wein. - An diesen Tischen indes, denke ich, bin ich nicht zugelassen, auf diesem Rasen habe ich die Platzreife nie erhalten, und am Ende rasseln aus den Einarmigen Banditen meiner Säle vielleicht nur wertlose Münzen, die man leichter Hand verstreut, und die nicht zählen, wenn man nächtens erwacht.

Halt mich fest, sage ich ins Dunkel, aber der Flussgott schweigt, und langsam gehen auf der anderen Seite der Donau die Lichter aus, nur die Fassaden leuchten steinern und kalt und werfen ihre Abbilder auf den fließenden Spiegel. Die J. ist ruhig geworden, und schaut den Wassern nach, und ich überlege, was sie wohl sehen mag.

Gemächlich, immer am Ufer entlang, gehen wir zurück, hören das Hallen der Schritte auf der Brücke, und bleiben einige Momente stehen. Möchte doch, denke ich, aus dem Rauschen ein Flußgott nach mir greifen, kalte, feuchte Hände mich zu sich ins Fließen ziehen, die Finger mir um den Hals legen, bis es dunkel wird, und ich keine Luft mehr brauche. Möchte doch die kalte Haut mir einmal abgezogen werden, die schützenden Zaubersprüche ungehört verhallen, die unterirdischen Feuer in den Höhlen unterm Budaberg lodern und der Flußgott mächtig werden über meinem Blut.

Aber die Götter sind tot, und der Abend wird kühler, und auf dem Rückweg zum Hotel weiß ich wieder, dass die Feuer nicht brennen wollen, und die Feste nicht stattfinden, ob mit mir oder ohne mich.


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