Freitag, 27. Oktober 2006

Aus der Seele gesprochen

Demnächst. Irgendwann. Hoffentlich.

Sonntag, 22. Oktober 2006

Freitag ist Dönertag

Eltern von Freunden waren ja schon als Kind eine spannende Sache – dass die Mutter der K. überhaupt nichts dabei fand, ihre Kinder Cola und Milchschnitten essen zu lassen, ohne dass die davon irgendwelche sichtbaren Schäden davontrugen etwa. Dass die Eltern des T. zu Hause mit derselben ausgesuchten, etwas distanzierten Höflichkeit miteinander umgingen wie auswärts, und nicht – wie bei mir zu Hause – alle durcheinander redeten und zwar ausschließlich über Dinge, die möglichst jedes anwesende Familienmitglied anders sah.

Nach dem Auszug von zu Hause entschwanden anderer Leute Eltern dem eigenen Gesichtskreis. Dass der einen Mutter ganz schön anstrengend sein kann, dass der anderen Vater ein schrecklicher Schürzenjäger ist, der sich gleichwohl niemals scheiden lassen wird: Man hörte davon, man sah die anderen Eltern nie, und wenn doch, so beschränkte sich dies auf kurze Stippvisiten in der Universitätsstadt, höchstens eine Tasse Tee in einem Café, wo man sich artig unterhielt, um einen guten Eindruck zu machen.

Andere Verwandte dagegen sieht und sah man nahezu nie. Die Tante, unter der liebe Freunde liebevoll stöhnen, die legendäre Tante des R. tauchten niemals auf, lebten allein durch Erzählungen, und unklar blieb teilweise sogar, ob die Tante oder Oma des Erzählers zum Zeitpunkt der Wiedergabe irgendwelcher Anekdoten noch unter den Lebenden weilte.

Mit der Zeit lernte man zu unterscheiden: Die Tante des R. bietet wenig Grund zur Unterhaltung, die erwähnte anstrengende Mutter ist eine derjenigen Geißeln ihrer Nachkommenschaft, die man doch nicht umhinkommt, zu bemitleiden und recht sympathisch zu finden in ihrer Enttäuschung durch ein Leben, das ihren Vorstellungen wohl unverschuldet so wenig entsprochen haben mag, wie es den eigenen Wünschen entsprechen würde, wäre man gezwungen, es zu führen. Besonders gern, begierig geradezu, wartet indes ein inzwischen größerer Kreis von Menschen auf Geschichten aus dem Familienleben der I., bevorzugt solchen, in deren Mittelpunkt der Vater der I. steht, der bekannt ist für ein unkonventionelles Verhältnis zur Essbarkeit von Tieren, ungewöhnliche Ideen zur Aquise von Lebensmitteln und ganz generell für ein Verhältnis zu den Dingen der äußeren Welt, das von den meisten anderen Leuten nicht geteilt wird.

Doch wir alle werden älter. Auch der Vater der I. altert zusehends, die Flexibilität weicht der Hartnäckigkeit liebgewonner Gewohnheiten, und so hat der Vater der I. sich seit Jahren angewöhnt, jeden Freitag einen Döner zu verspeisen. Einen „Döner mit Alles“ wie der Berliner Dönerverkäufer zu sagen pflegt. Freitag ist Dönertag.

Auch eine weitere Erscheinung des Alters macht nicht Halt vor dem Vater der I., die Haare werden schütter, der Bauch rundet sich, und die Zähne hören auf, so fest verankert im Zahnfleisch zu sitzen, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Eines Tages brauchte der Vater also Stiftzähne. Zwei Stück: einen vorne rechts und einen weiteren genau daneben.

Es liegt indes in der Natur des Stiftzahnes, nicht einfach ins Fleisch gerammt zu werden und dann eine ebenso große Standfestigkeit zu entfalten, wie dies bei den eigenen Zähnen der Fall war, damals, als die Zähne noch fest saßen. Ganz im Gegenteil muss der Stiftzahnbesitzer einige Wochen abwarten, bis der Stiftzahn eingewachsen ist, und während dieser Zeit kann feste Nahrung eigentlich nicht verzehrt werden. So aß also der Vater der I. tagelang fein zerkleinerten Brei. Reibungslos verliefen so Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Dann aber ging die Sonne auf, es war Freitag, es war Dönertag, aber an den gewohnten Verzehr eines Döners war nicht zu denken, denn einen Döner ohne Vorderzähne zu essen ist, wie man weiß, nicht gut möglich, und so konnte der Vater den Döner zwar kaufen, essen konnte er ihn jedoch nicht, und so kam er, zwar gealtert, doch offenbar unverändert, auf eine seinem früheren Einfallsreichtum würdige Idee. Konnte der Döner also nicht ganz gegessen werden, so musste man ihn eben fein zerkleinern.

„Er hat den Döner püriert!“, prustet also seine Tochter auf meinem Sofa. „Püriert? Ganz? Mit Zwiebeln und Salat?“, schallt es zurück.- „Naja,“, relativiert die I. ihre frühere Aussage. Das Dönerbrot habe er ganz gelassen und lediglich in Milch eingeweicht.

"Igitt.", stöhnt der geschätzte Gefährte, und die C. macht Geräusche, die sich anhören, als würde jemand gleich ersticken. "Das ist ja widerlich.", sage ich, und die I. nickt.

Mit großer Freude, mit ungleich größerer Freude als zu sonstigen Verehelichungen sehen wir alle vor diesem Hintergrund der Heirat der I. entgegen, die nächstes Jahr im Mai ihren geschätzten Gefährten heiraten wird, und der Vater der I. wird, wie es sich gehört, eine Rede halten.

Man wird ihm genau zuhören, und ihn noch genauer betrachten.

Mittwoch, 18. Oktober 2006

Wunderschön (eine Neidphantasie)

Wie sich das wohl anfühlt, überlege ich am Rande der Bar, und nippe an einer Flasche Bionade. Wie das wohl ist, so schön zu sein, dass einem die Männer auf der Straße nachschauen, und ab und zu einer gegen einen Laternenmast läuft, weil er die Augen nicht von einem wenden kann, weil man so schön ist, so schön wie die Mädchen in Märchen, mit goldenen Haaren bis zum Hintern und schlank und lang wie Giraffen, eine Giacometti-Gazelle, grazil und zerbrechlich wie eine Meissner Porzellanballerina, so zerbrechlich, dass jeder sofort weiß, dass man unmöglich selber Türen aufmachen oder Tüten schleppen kann.

Großartig muss das sein, denke ich mir, so schön zu sein, dass sich jeder geschmeichelt fühlt, wenn man ihn anlächeln würde, und einem alle möglichen tollen Eigenschaften andichten würde, weil er sich ja nicht eingestehen würde, dass er nur deswegen so begeistert wäre, weil man so schön ist, so zart, so elfenhaft, dass Männer Angst hätten, man könnte zerbrechen, wenn man zu fest angefasst wird. Für humorvoll würde man gehalten, wenn man nur ab und zu lacht. „Die M. ist so humorvoll!“, würden fremde Männer mich rühmen, obwohl ich stundenlang kaum den Mund aufgemacht hätte, und nur ab und zu ein wenig ein freundliches, ein wenig abwesendes Lächeln aufgesetzt hätte, wenn sie einen Witz gemacht haben. - Andere Frauen, die bemängeln würden, dass die wenigen Sätze, die ich geäußert hätte, jedenfalls nicht als besonders amüsant gelten würden, hätte eine weniger hübsche Frau sie geäußert, würden als stutenbissig, wie man so sagt, oder als zickig gebrandmarkt. „Die X. kann’s halt nicht haben, wenn eine andere Frau besser ausschaut als sie.“, würden sie die anderen tadeln, ich müsste gar nichts dazu sagen, und würde nur freundlich lächeln. „Die X ist doch eine Nette.“, würde ich sagen, und sofort als wahnsinnig großzügig und sehr, sehr herzlich gelten, als Freundlichkeit in Person, und dann würde ich die langen Wimpern senken, und mich freuen, es der X. einmal so richtig gezeigt zu haben. Die blöde Kuh.

Vielleicht hätte ich aber tatsächlich nichts gegen die X., wozu auch, denn in meiner Gegenwart würde die X. ja ohnehin nicht einmal bemerkt, und wenn ich auftauche, schaut keiner mehr die X. an, sondern nur noch mich, und alles, was ein Mann in meiner Nähe sagt, würde er nur zu mir sagen, alle anderen Frauen wären unsichtbar, und jeder würde darauf warten, dass ich lächele, und dann hocherhobenen Hauptes durch den Tag schreiten. Würde ich sogar vielleicht einmal laut lachen, mich im Scherz für einen Augenblick bei ihm anlehnen und mir irgendetwas von ihm erklären lassen, was er kann, und ich nicht zu können bräuchte – wie großartig wäre das! Stundenlang würde er strahlen wie ein geborstener Atomreaktor, und wenn er schon eine Freundin hätte, würde er sie auf der Stelle sitzenlassen, wenn ich ihn haben wollen würde, und sich einreden, ich sei etwas ganz Besonderes.

Wunderbar wäre das. Andauernd würde das Telephon klingeln, hochintelligente Männer würden sich darum reißen, mich zum Essen auszuführen, und mir nur die teuersten und besten Restaurants zumuten, und sich freuen, wenn es mir schmeckt. Gedichte würden mir Leute schreiben, mich verherrlichen und von mir träumen. Meine Wege wären leicht und mit seidenen Teppichen ausgelegt, wie etwas Wunderbares und Kostbares würde ich geliebt, und wen ich verlasse, der würde ein Leben lang mit allen künftigen Freundinnen über mich sprechen wie Platon persönlich über das untergegangene Atlantis oder der Papst über den lieben Gott.

Montag, 16. Oktober 2006

Auslobung

In Zeitungen gibt es das ja manchmal, so eine Rubrik "vor fünfzig Jahren" oder so, und da kann man dann lesen, dass heute vor fünfzig Jahren die neue Sparkasse in Klein Hoppelhausen eingeweiht wurde, und der Bürgermeister anwesend war, und der Ortsvorsteher auch. Auf der Bundesstraße wurde ein Schwein überfahren, in Groß Hoppelhausen ist ein Holzlager abgebrannt, und die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung.

In Klein Bloggersdorf gib es das natürlich nicht, denn vor fünfzig Jahren war da, wo heute Klein Bloggersdorf steht, das schiere Nichts, und doch wünsche ich mir ab und zu einen kleinen Rückblick, so ein "heute vor einem Jahr" als kleinen Link auf der Seitenleiste.

Irgendwie, denke ich mir, muss das doch technisch einzurichten sein. Leider habe ich keine Ahnung, wie das geht, wenn das geht, und wer mir sagt, wie man das macht, kann sich diesmal nicht nur meine ewige Dankbarkeit verdienen, sondern eine kleine Überraschung, die ich ihm zusenden würde, wenn er mir seine Adresse an die rechts angegebene E-Mail schickt.

Hah! Schon erledigt! Einen herzlichen Dank an den freundlichen Menschen, der mir das Dings geschrieben hat, und ebenfalls besten Dank an diejenigen, die ihre Bereitschaft ausgedrückt haben, mir zu helfen.

Sonntag, 15. Oktober 2006

Das Badefest

Eine Idylle

Weil ich Leute blöd finde, die ein inneres Kind haben, dem sie Schwimmtiere für die Badewanne kaufen, lasse ich zwischen Bergen von Schaum bloß eines von diesen Fläschchen schwimmen, die man in den Badezimmern von Hotels immer vorfindet, und die ich jedesmal mitnehme, weil man ja nicht weiß, ob man im nächsten Hotel auch Duschgel hat. „Mint Thyme Conditioner“ heißt das Schiff, das unterhalb der silbern glänzenden Türme von Port Hahn in See sticht, und kreist zwischen den weißen Schaumbergen hin und her. Gut sieht der Schaum aus, der sich entlang den Rändern der Wanne türmt, zart durchsichtige Blasen, hochgetürmt, weiß vor Sauberkeit, und in der Mitte aufgerissen, wo man meine Beine sehen kann, die ich eigentlich ganz gut finde, besser jedenfalls als den Oberkörper, über den ich mit den Händen ganz viel Schaum verteile, damit man ihn nicht sieht.

Die „Mint Thyme Conditioner“ dümpelt ein wenig antriebslos über die Wasseroberfläche, und ich gebe ihr einen kleinen Stoß. Entlang der Meerenge zwischen dem Wannenrand und der tückischen Isola Knie kreuzt das Schiff Richtung Süden, kollidiert ein paarmal mit der emaillierten Wanne, und schwankt weiter. „Seemann lass das Träumen..“, singe ich, weil ich ausschließlich in Badezimmern singe, und die Gelegenheit nicht verstreichen lassen will.

Ein Erdbeben in Höhe des Kaps der beiden Füße bringt die See in Wallung, ein bißchen Wasser landet sogar auf dem weißgekachelten Fußboden neben der Wanne, und die „Mint Thyme Conditioner“ dreht sich ein paarmal um die eigene Achse. „Hilfe! Seenot!“, quietsche ich stellvertretend für den Kapitän und den ersten Offizier. „Mann über Bord!“, brülle ich als Kapitän, aber der erste Offizier liegt schon ertrinkend auf der Höhe meiner Ferse, strampelt noch ein bißchen und liegt dann ganz still.

„Ist irgendwas?“, erkundigt sich der geschätzte Gefährte vom Arbeitszimmer aus durch zwei geschlossene Türen. „Alles bestens!“, antworte ich, was ein wenig herzlos ist, denn der erste Offizier ist ja tot, aber ich singe ein bißchen, um den Kapitän zu trösten, und das Leben muss ja weitergehen.

Hart und einsam ist das Leben nun an Bord der „Mint Thyme Conditioner“, und ich beschleunige ein bißchen, um den Kapitän zu trösten. Das Wadenmeer immerhin ist ruhig, der Kapitän liest viel und beginnt, den ersten Offizier zu vergessen, und wenn der Zwieback nicht auch langsam zur Neige ginge, wäre das Leben fast schön auf der „Mint Thyme Conditioner“, die allerdings langsam beginnt, etwas Wasser zu ziehen, und deutlich tiefer liegt als zu Beginn der langen und gefahrvollen Fahrt.

„Du bist doch schon ganz aufgeweicht!“, behauptet der geschätzte Gefährte, obwohl er mich gar nicht sehen kann, und ich betrachte interessiert die Rillen auf meinen Fingerkuppen. - Ob man, überlege ich, am ganzen Körper solche Rillen bekommt, wenn man im Wasser liegt wie der erste Offizier? Oder ob er sich inzwischen dermaßen mit Wasser vollgesogen hat, aufgeplustert wie ein Schwamm, aufgedunsen durch das vanilleduftende Badewasser, dass er am Ende nicht einmal mehr durch den Ausguss passt, wenn ich den Stöpsel ziehe und die Wanne verlasse, um mich abzutrocknen?

Am Ende aber ist die Wanne leer, der erste Offizier treibt leblos durch die Berliner Abwasserrohre, und der Kapitän steht nur manchmal ein wenig versonnen am Badewannenrand neben der „Mint Thyme Conditioner“ und gedenkt des toten Gefährten mit ein wenig Wehmut.



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