Montag, 12. November 2012

Dahin, mein Freund. Dahin.

Ach, denke ich und streiche mit der Hand über die stumpfe, ehemals glänzend-weiße Oberfläche. Nun ist es wohl hin. Mein kleines, weißes iBook.

So viel Privatgeschichte allein in diesem Gehäuse: 10.252 E-Mails liegen auf dem Rechner, und das sind nur die, die ich behalten habe, weil ich sie gut finde oder wenigstens wichtig. Auf dem ältesten von den vielen Photos stehe ich mit dem J. vor einer Brücke in Venedig und bin unfassbare 26.

Die Bewerbung für mein Promotionsstipendium habe ich damals auf diesem iBook getippt und die Diss auch. Mit diesem iBook habe ich in der StaBi am Potsdamer Platz gesessen und drei Jahre lang ein am Ende dann doch gar nicht so dickes Buch geschrieben, das beendet zu haben ich dann doch ein wenig stolz war, auch wenn es vielleicht nicht ganz das war ... aber lassen wir das.

Auch die Bewerbung für den Job, den ich bis heute habe, habe ich auf diesen Tasten getippt. Ich war halbwegs aufgeregt, denn es ist eine spannende Sache, sich den ersten Job zu suchen, aber dann habe ich es gut getroffen und bin immer noch da. In den nächsten Jahren habe ich dann seltener am iBook gesessen, aber abends habe ich die Texte fürs Blog auf dem Sofa geschrieben, und zwei Romane, von denen einer Mist ist, und den anderen will offenbar keiner haben.

Dann aber war das iBook so rein technisch eigentlich nicht mehr ganz state of the art. Vor einem Jahr habe ich deswegen einen iMac gekauft. Der steht nun nebenan in der Bibliothek auf dem Schreibtisch, aber ganz habe ich mich dann doch nicht daran gewöhnt, auch abends noch am Tisch zu sitzen und zu tippen. Lieber liege ich auf dem Sofa, und das geht halt nur mit dem iBook und ansonsten halt nicht.

Alt, aber gut, war mein iBook bis vor zwei Wochen, aber dann, eines Tages und ankündigungslos, ging es einfach zwischendurch mal aus. Gut, geächzt hat mein iBook schon die ganze Zeit. Richtig schön war es auc h nicht mehr: Altersflecken vom Kaffee und irgendwie so kratzige Stellen hatte das iBook, und an manchen Stellen zwischen manchen Tasten ist es eher grau als weiß.

Inzwischen aber geht der Akku gar nicht mehr. Nur noch mit Netzteil läuft das iBook, wenn der Stecker gezogen wird oder auch nur kurz wackelt, geht das iBook aus, und so ist dies wohl der letzte Text mit dem iBook, und dann, wie man einen alten Teddy in eine Schublade legt, lege ich auch das iBook beiseite und wische noch einmal mit der linken Hand über den kleinen, weißen Apfel.

Montag, 15. Oktober 2012

Oktober, 14

"Immerhin ein Kitaplatz.", rufe ich der I.2 zu, die hinter ihrer Tochter her zur Rutsche läuft. "Super.", antwortet mir die I.2 ein bisschen atemlos. Dass die Kita nicht nebenan, sondern zwischen so Plattenbauten keine zehn Fahrradminuten entfernt in Mitte steht, findet die I.2 nicht so schlimm.

Der J. dagegen ist ziemlich skeptisch. Der J. hat Vorurteile gegen Plattenbauten und alle, die in Plattenbauten wohnen, und sieht seinen einjährigen Sohn wohl schon umgeben von lauter rassistischen Kleinkindern mit kurzgeschorenen Haaren, deren erster Zwei-Wortsatz vermutlich "Ausländer raus" lautet. Aussagesätze beschließen die vom J. in der Kita vermuteten Kinder alle am Ende mit "wa", wie es unter sehr rustikalen Berlinern üblich ist. Wenn die Kinder nicht in der Kita sind, sehen sie fern.

Ich dagegen hoffe auf den Verdrängungseffekt netter, zugezogener Prenzlberger. Die Kita, behaupte ich, wird ganz bestimmt von Kindern aus unserer Nachbarschaft frequentiert. Im Plattenbau in Mitte wohnen doch vermutlich nur noch Rentner.

Im Übrigen - das sage ich auch dem J. - haben wir kaum eine Alternative. Die niedlichen Kleinkitas in der Nachbarschaft wollen ja alle, dass man Elternarbeit leistet, was bei uns nicht hinhaut, weil wir arbeiten, wenn andere mit Kleinkindern tanzen. Außerdem brauche ich eine Kita, die nicht so ewig lange im Sommer schließt. Ich frage mich immer, wie es eigentlich andere Eltern machen, aber wenn ich nachfrage, sind wir offenbar fast das einzige Paar, das aus zwei voll berufstätigen Personen besteht, die auch mal Abendtermine haben und mehr als 40 Stunden arbeiten gehen.

"Wir versuchen's parallel noch bei den anderen Kitas.", berichte der I.2, deren Tochter inzwischen die Wackelbrücke gegen andere Kinder verteidigt, und ziehe die Nase ein bisschen kraus. Ich habe mich ziemlich gefreut, als die Kitaleiterin letzte Woche anrief. Inzwischen hat mich der J. mit seinen Bedenken doch ein wenig angesteckt. Angestrengt überlege ich, wie man die Art und Güte der Miteltern und ihrer Kinder am Mittwoch abfragt, wenn wir mit der Kitaleiterin sprechen, und beschließe, die anderen Kinder ganz genau in Augenschein zu nehmen. Vielleicht sieht man ja was. Oder die Kinder sagen Sätze wie "Hammer, wa!" oder tragen Runen auf dem T-Shirt.

(Abends dann mit der J. lange gut gegessen und geplaudert. Zu wenig geschlafen. Schöner Tag, schöner Abend.)

Sonntag, 14. Oktober 2012

Oktober, 13

In gewisser Weise finde ich Kochblogs deprimierend. Die Sachen sehen immer so verdammt gut aus. Allein schon der Gedanke, dass die ganz normalen Leute, die diese Blogs haben, die Rezepte, die ich in Kochbüchern und -zeitschriften immer als viel zu aufwändig verwerfe, tatsächlich und wirklich kochen, macht mich irgendwie fertig. Ich fühle mich mit meinen 15 Minuten Rezepten dann immer ein bisschen so wie diese in jeder Hinsicht aus dem Leim gegangenen haltlosen Leute mit Unterhemd und ohne Job, die vom Sofa aus ab und zu in die Küche schlappen, um sich tiefgefrorene Hot Dogs in dee Mikrowelle aufzuwärmen und ihren Kindern ein frisches Glas Hipp aufzumachen.

Tatsächlich würde ich von mir sogar behaupten, Kochen zu können. Es ist auch nicht so, dass ich Fertigessen kaufe, wenn man mal von frischer Pasta absieht. Ich koche aber eigentlich immer dasselbe, also so eine Mischung aus Gerichten, die ich halt kenne, wie Gulasch oder Bouletten oder Kürbissuppe, und ein paar international anmutenden Gerichten, die schnell gehen wie rotes Curry aus Currypaste und Kokosmilch oder irgendwas Pfannengerührtes mit Sojasauce und so. Im Ergebnis schmeckt es, glaube ich, bei mir, aber ich besitze schon die Hälfte der Kochutensilien nicht, die Leute offenbar so haben, und irgendwie wüsste ich auch nicht, wann ich das Essen machen könnte, das man woanders manchmal so sieht.

Ich habe früher eigentlich angenommen, dass das den meisten Leuten so geht. Dagegen spricht aber, dass ja nicht jeder, der richtig gut kocht, auch gleich foodblogt. Möglicherweise verhält es sich andersrum: Die meisten Leute, die überhaupt kochen, also alle, abzüglich derjenigen im Unterhemd, kochen halbwegs modern und originell. Ein paar von denen dokumentieren das auch auch im Netz. Ich allein bin der letzte Saurier. In meiner Höhle gibt es Essen, das aus nicht mehr als drei Zutaten besteht und nie länger als 20 Minuten für die Zubereitung braucht.

(Nun denn: Es gab gestern abend Tofu mit Zucchini und einer Sauce aus Kochujang, Sojasauce, Zucker und dazu Gurken und Reis. Heute brate ich Merguez mit Fladenbrot, Hummus und so Auberginenzeug. Die J. kommt. Dann trinken wir einen auf die Saurier. Mögen sie noch lange leben und kochen.)

Freitag, 12. Oktober 2012

Oktober, 11

In diesem Setting sieht sogar ein Gaskamin gut aus, und die zunehmend verschmierte schwarze Tischplatte strahlt eine Art schmutzigen Glamour aus, Mitte, Style, Lässigkeit und sogar ich fühle mich in dieser Umgebung gutaussehend und interessant. Für meine Freundin T. gilt das natürlich erst recht, aber die sieht vermutlich sogar bei IKEA gut aus, und macht bestimmt auch auf einem Spielplatz in Regen und Matsch eine gute Figur. Sie sitzt mir also gegenüber und trinkt absolut makellos ein Glas Rotwein.

Um uns herum sind eigentlich alle Menschen ziemlich schön. Das ist ein wesentlicher Grund, warum es angenehmer ist, in Mitte auszugehen als woanders, also die Schönheit der Menschen in Mitte, aber hier, gerade in diesem Moment, fällt es noch mehr auf als sonst. Auf der Torstraße verkehren die schönsten Menschen Berlins und gehen essen.

Die T. und ich jedenfalls reden inmitten von so viel Schönheit ziemlich viel über Politik. Das interessiert uns beide, also das Handwerk der Politik, das Darum und Dahinter, ein bisschen Klatsch, ein paar "Ach so"-Geschichten, und außerdem regen wir uns über die Berliner Schulpolitik auf wie vermutlich alle Einwohner der Stadt, die Kinder haben, auch. Außerdem sprechen wir von de USA, vom Präsidentenwahlkampf, und sind uns einig, dass Obama zu den attraktivsten Männern der Welt gehört.

Das Essen, was wir dazu essen, ist okay. Meine Aubergine ist eine winzige Spur zu bitter, nur ganz wenig, ein Hauch, als sei jemand einen Moment zu langsam mit einem Topf Bitterkeit vorbeigegangen, und auch die Moules Frites der T. sind nicht ganz perfekt. Mein Gelbschwanztuna ist zart und schmilzt auf der Zunge, aber der Pistazienrand ist ein ganz, ganz wenig zu cremig, zu pralinig. Das Hummus ist zu wenig gesalzen. Gut gegessen haben wir trotzdem, und sitzen sehr zufrieden zwischen all den schönen Menschen und schauen uns die Kleider der Frauen und die Frisuren der Männer an. Inzwischen sind wir bei Indiskretionen über gemeinsame Bekannte angekommen und überreden uns gegenseitig zu immer noch einem Glas Wein.

Es ist fast zwölf, als ich zu Hause ankomme. Der F. schläft tief, seinen Schnuler fest im Mund. Der J. liegt auf dem Sofa. "Ich bin müde.", sage ich und gähne und strahle mein Spiegelbild im Badezimmer an. Ich bin schöner als sonst, will es mir scheinen, nicht so schön wie die Leute in Mitte, aber schön genug für mich, schön genug für einen schönen Abend, und so gehe ich hochzufrieden zu Bett und lese, tja, ein nicht ganu so schönes Buch, aber das ist auf die Schnelle nicht zu ändern.

Oktober, 10

Das neue Buch vom Haas ist blöd. Wieder und wieder schweife ich ab, lese kurz Nachrichten auf dem iPhone, gähne und zähle die wild herumliegenden Kleidungsstücke auf dem weißen Bord. Ich komme in die Geschichte seines verliebten Halbindianers nicht richtig hinein, und die typographischen Spielereien amüsieren mich nicht.

Unkonzentriert greife ich auf dem Nachtisch nach dem neuen Krausser. Die Kritiken waren unterirdisch, auch mir haben die drei, vier Seiten nicht gefallen, die ich gelesen habe, aber vielleicht gewinnt das Buch ja auf die Dauer. Oder ich lese den neuen Juli Zeh. Das habe ich zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ich kann Juli Zeh aber an sich spätestens seit Spieltrieb nicht ausstehen.

"Das macht alles keinen Spaß.", nörgele ich ein bisschen den J. an, als der mit de Zahnbürste im Mund ins Schlafzimmer kommt. "Dann lies doch ...", sagt er.

(Sagt er natürlich nicht. Sagen Sie etwas. Was kann ich lesen?)

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Oktober, 9

Als der Wagen anspringt, starre ich wie gebannt auf den großen, runden Tacho. "Wo ist denn ...", zischt der J., und dann fahren wir los. Es ist ganz einfach. Der Car Sharing-Wagen von Drive Now gleitet wie ein ganz normales Auto die Greifswalder abwärts. Hinterm Rosenthaler Platz halten wir an.

Wir haben nicht reserviert, und eine feste Vorstellung, wo es hingehen soll, haben wir auch nicht. Wir sind nur hier, weil der Babysitter Zeit hat und beim F. weilt, und so laufen wir wie Schulkinder, die hitzefrei haben, durch den Abend: Unverhoffte Freizeit.

Für einen Dienstagabend ist es überall schrecklich voll. Im Mani gibt es keinen Tisch mehr für uns. Im Toca Rouge sieht es auch nicht besser aus. Ins Themroc gehen wir nicht, weil das Tagesmenü nicht so lecker klingt, und so biegen wir schließlich ganz am Ende der Torstraße nach rechts ab und gehen schließlich ins Rutz. Also unten. In der Weinbar, nicht oben im Restaurant.

Zwei Plätze gibt es auch noch. Auf Barhockern sitzen wir direkt am Fenster und schauen den Gästen zu, die teils schon leise schwankend die Treppe herunterwanken und manchmal auch wieder hinaus. Ich esse das regionale Menü, drei Gänge mit Kaninchen als Hauptgang und einer sehr, sehr guten Desservariation, die eine Mini-Apfeltorte, zwei runde karamellisierte Apfelkugeln und eine Nocke Apfelsorbet enthält. Alles ist sehr, sehr gutaussehend und schmeckt göttlich. Leider vergesse ich den Namen des Dessertweines sofort. Es war eine Riesling-Spätlese, und ich hätte gern noch viel mehr davon gehabt.

Sehr gern hätte ich auch dem J. sein Essen weggefressen. Die Vorspeise mit der Blutwurst. Das Hauptgericht mit einem so zarten Tafelspitz, dass es nicht einmal ein Messer dazu gab, und das ungeheuerlich leckere halbflüssige Schokoladentörtchen danach. Leider gibt der J. nichts ab.

Kurz nach elf sind wir wieder daheim, geben dem Taxifahrer zuviel Trinkgeld für seine Brummigkeit und lassen uns daheim erzählen, dass unser Sohn ein wahrer Engel sei. "Schlaf weiter, Baby!", streichele ich dem Kleinen die Stirn, als ich selbst schlafen gehe, und schmecke dem Essen nach und dem Abend und male mir aus, wie ich dem F. alles zeige, was man so essen kann, wenn er erst größer sein wird und auch etwas davon hat.



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